Idealerweise dienen forensische Wissenschaften dazu, weniger Fehlurteile zu fällen. Die Anwendung dieser Wissenschaft kann jedoch für politische Zwecke oder zur Begünstigung der Verurteilung einer Person trotz unzureichender Beweise verwendet werden.
In der DDR beherbergte die Humboldt-Universität zwischen 1968 und 1994 eine Sektion für Kriminalistik innerhalb der Juristischen Fakultät. Ziel des damit verbundenen Studiengangs war weniger die Bekämpfung von Justizirrtümern als vielmehr die Ausbildung von Beamten des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi). Die Studierenden wurden von der Stasi rekrutiert und die Kurse waren für alle anderen Interessenten nicht zugänglich. Die Sektion hatte eine ausgeprägte Autonomie und ihre Rekrutierungsmethoden waren der Universität bekannt und wurden von ihr toleriert.
Aufgrund Personalmangels - so die amtliche Verlautbarung - werden die kriminalistischen Forschungsaktivitäten nach Auflösung der Sektion, fortan forensisch genannt, vom 1994 neu geschaffenen Landeskriminalamt (LKA) Berlin übernommen. Das Strafverfahren verliert damit den Aspekt der politischen Repression und konzentriert sich auf Verbrechen, deren Verfolgung Charakteristika hat, die mit modernen forensischen Techniken analysiert werden können.
Ein deutscher Bundesrichter schätzt, dass jedes vierte Urteil ein Irrtum sein könnte. Bei der Untersuchung von Fehlurteilen wurde bereits 1965 auf die fehlende Datenlage aufmerksam gemacht. Dieses Problem hat bis heute keine Lösung gefunden.
Die hier vorgelegten neun Kompositionen und das Video bieten eine audiovisuelle Inszenierung und Kartographie von forensischen Institutionen, die über zwei Epochen hinweg für Fehlurteile verantwortlich waren.
Klangminiaturen
Die neun einminütigen Miniaturen sind assoziative Klangbilder, die mit dem Phänomen der Fehlurteile verbunden sind.
Zu hören sind konkrete Klänge wie Morsezeichen, Kassetten- und Videorecorder, Filmprojektoren, analoge Telefone, Schreibmaschinen, Computer, sowie Geräusche aus dem Gefängnisalltag, verbunden mit musikalischen Elementen.
Besonderen Dank an Martín Heller und Into VR & Video GmbH in Berlin, für die freundliche Bereitstellung des Klangmaterials aus dem VR-Projekt Stasi-Gefängnis „Was wollten Sie in Berlin?!“ für das Stück #9 (intovr.de).